2025-10-14_LIONS Club Abend mit Gastredner - Gotha
35 Jahre Deutsche Einheit: Ex-DDR-Regierungssprecher beim Lions Club Gotha

Schon die Rahmendaten der letzten DDR-Regierung sind im Nachhinein bemerkenswert. Am 12. April 1990 ins Amt gekommen, hatte die Regierung de Maziere – die sich auf mehr als 70 Prozent der frei gewählten Volkskammer-Abgeordneten stützen konnte - nur das Ziel sich selbst und ihren Staat abzuschaffen. Das gelang binnen weniger als sechs Monaten. Am 2. Oktober endete die Souveränität der DDR und das Mandat ihrer letzten Regierung.
Schon der Beginn war für alle Beteiligten Neuland. Gehler berichtete von seinem ersten Arbeitstag im Amtssitz des Ministerpräsidenten. Als er mit seinem engsten Mitarbeiterkreis das Gebäude betrat, salutierten uniformierte Wachleute vor dem “Herrn Staatssekretär” und verharrten steif vor ihm. Der ungediente Gehler löste die Situation mit einem “Rührt Euch” und bat die Wachleute künftig in Zivil und nicht mehr in Uniform zum Dienst zu erscheinen, was diese ab dem nächsten Tag “befolgten”.
Diese und andere Anekdoten zitierte Gehler aus seinem Buch “Wollen Sie die Einheit oder nicht?” Das Zitat stammt vom damaligen Chefredakteur der Bildzeitung Hans-Herrmann Tiedje, der Gehler in einer Diskussion um einen weitgehend frei erfundenen Artikel plötzlich diese Frage stellte. Gehlers Antwort laut seiner Memoiren: “Nicht so und nicht mit Ihnen.”
Auf Nachfragen aus dem Publikum erläuterte Gehler, dass aus seiner Sicht, die Deutsche Einheit vor allem von den Staats- und Regierungschefs und weniger von den Außenministern ausgehandelt wurde. Wichtigster Befürworter und Antreiber des Vereinigungsprozesses, sei die US-Regierung von George H.W. Bush gewesen. Ohne Gorbatschows Reformen sei aber der ganze Prozess undenkbar gewesen. Im Übrigen sei aber auch aus den sowjetischen Delegationen, immer wieder klar gemacht worden, dass man den Kollaps des eigenen Staates befürchte, der ja ein gutes Jahr später eintrat.
Befragt, inwieweit bei den Verhandlungen um den 2+4 Vertrag auch eine NATO-Osterweiterung ausgeschlossen wurde, antwortete Gehler, dass es darum zu diesem Zeitpunkt nicht gegangen sei. Verhandelt worden sei einzig über die Territorien von BRD und DDR. Alles andere sei angesichts der Weiterexistenz von Warschauer Pakt und Sowjetunion auch unrealistisch gewesen.
Zum Mitarbeiterstab des letzten DDR-Regierungssprechers gehörte auch eine gewisse Angela Merkel. Die spätere Bundeskanzlerin war Pressesprecherin des kleinsten DDR-Regierungspartners Demokratischer Aufbruch (DA). Gehler hatte Ihr den Posten als stellvertretender “Regierungssprecher” angetragen. In einem handschriftlichen Brief nahm Merkel das Angebot an. Eine Kopie des Briefes, durften zum Abschluss des Abends alle Gäste einmal kurz in Ihren Händen halten.


